Sommervibes, Halligalli und Feuer auf dem Eis in Prag
Endlose Schlangen vor dem Fanfestglände der Weltmeisterschaft in Prag. Zehntausende Eishockey-Fans bunt verkleidet aus der ganzen Puckwelt feiern sich und ihren Lieblingssport. Schweizer schleppen Stoffkühe an der Leine hinter sich her, verfolgt von wikingerbehelmten blaugelben Schweden. Tschechen tragen gehäkelte Bierkrüge auf ihren Köpfen.
Trikots und Schminke im Gesicht sind das Minimum. Bier der lokalen Brauerei fließt aus gefühlt hunderten von Zapfhähnen aus der niemals verendenden Urquelle. So das sommerliche Szenario vor dem knapp 18.000 Zuschauer fassenden Eistempel.
In der Halle legen die Veranstalter noch ein paar Briketts drauf.
Zwei Arena-DJs auf Ecstasy mit bis an die Schmerzgrenze wummernden 90iger-Jahre Sound. „Make some Noise!“ Sie versuchen tatsächlich das sportliche Spektakel auf dem Eis mit ihrem nervigem Bum-Bum-Geballer zu toppen .
Beim Highlight der Tschechen gegen die USA am Freitagabend gelingt es ihnen zum Glück nicht. Das Spiel auf allerhöchstem Niveau elektrisiert dermaßen, dass ich das Gedröhne aus den Boxen und das animierte Geflackere auf dem Jumbowürfel stoisch ertrage.
Das Befremdliche, den tschechischen Fans scheint die überlaute Kirmes-Atmosphäre durchaus zu gefallen. Die knapp 18.000 in der Prag-Arena machen ausgelassen mit und lassen sich vom DJ, dem marktschreierischen Hallensprecher und Videowürfel-Animationen in bester TikTok Manier-willfährig dirigieren.
Jeder Karussellbremser auf dem Rummel wird blass vor Neid.
Rundum Entertainment auf Las-Vegas-Niveau mit tschechischem Charme. Einerseits nervig, andererseits hat die bedingungslose Begeisterungsfähigkeit der Fans durchaus einen rührenden Reiz. Tschechien und Eishockey ist etwas ganz Besonderes. Die Fans feiern das Eishockeyfest, von dem der frühere IIHF-Präsident René Fasel einst gesprochen hatte, als ein Journalist ihn fragte, ob es denn sinnvoll sei, in jedem Jahr eine Weltmeisterschaft zu veranstalten. Prag und Ostrava zeigen, offensichtlich: Ja!
Tschechien zur Eishockey-Weltmeisterschaft ist eine Reise wert. Unbedingt. Was für ein Spektakel. Etwas Vergleichbares habe ich in über 40 Jahren Eishockey-Kariere, die NHL eigeschlossen, zu Tränen gerührt, noch nicht erlebt.
Gespannt warte ich darauf, wie die euphorischen Gastgeber im Halbfinale die unterkühlten Schweden auftauen werden.
